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Der Zugriff und die Rezeption von Online-Videos bringen für Menschen mit Behinderungen verschiedene Herausforderungen mit. Blinden und Sehbehinderten bleiben Informationen vorenthalten, die visuell beispielsweise durch Animationen vermittelt werden. Höreingeschränkte Personen wissen nicht, worum es in einem Video geht, wenn die Untertitel fehlen. Und motorisch eingeschränkte Personen können weder Werbung überspringen, noch einige Videoplayer verlassen, wenn diese nicht umfassend mit der Tastatur bedienbar sind.


Was sind barrierefreie Videos?

Barrierefreie Online-Videos zeichnen sich durch die barrierefreie Erreich- und Bedienbarkeit aus. So wird beispielsweise für höreingeschränkte Menschen eine Untertitelung zur Verfügung gestellt und für blinde Menschen eine Audiodeskription angeboten, die wichtige visuelle Informationen vermittelt. 

Einige Medienproduktionen – vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender – bieten bereits Filme und Videos mit Untertiteln oder Audiodeskription an. Bei vielen fehlt es aber noch an der barrierefreien Aufbereitung ihrer Online-Videos. So sind Erklärvideos zwar für nicht behinderte Menschen eine tolle Lernerfahrung, schließen aber Menschen mit Behinderung aus den oben genannten Gründen aus. Inklusion sieht anders aus.


Konzeption und Produktion

Barrierefreiheit in Videos sollte bereits in der Konzeptions- und Produktionsphase mitgedacht werden. Dazu sollte berücksichtigt werden, wie das Video später von Menschen mit Behinderung und Nicht-Muttersprachlern genutzt wird. 

Für Seheingeschränkte Nutzer muss bedacht werden, dass alle visuellen Informationen, die für das Verständnis des Videos wichtig sind, auch akustisch vermittelt werden. Das bedeutet, sie sollten aus Sprechertext oder Unterhaltung der Protagonisten im Film hervorgehen. So kann später auf die Audiodeskription verzichtet werden. 

Sollte die Übertragung der visuellen Informationen in Sprache nicht möglich sein, können bewusst eingebaute Pausen helfen. In diesen kann später die Audiodeskription bereitgestellt werden. So wird die Tonspur des Videos ergänzt und es überschneidet sich nichts.

Für höreingeschränkte Nutzer und Nicht-Muttersprachler sollte das Sprechtempo gemäßigt und eine leichte Sprache eingesetzt werden, damit die Inhalte gut zu verstehen sind. Das macht es in der Postproduktion leichter, Untertitel einzufügen. Bei vielen sprachlichen Informationen müssen diese sonst oft verkürzt werden. Ist das Tempo langsamer, können die Untertitel gut mitgelesen werden und sind nah am Originaltext. 

Besonders wichtig in Videos: Sie sollten auf Bildinhalte verzichten, die innerhalb einer Sekunde mehr als drei Mal aufblitzen. Das kann bei Menschen mit Epilepsie einen Anfall auslösen. 


Einbindung und Videoplayer

Online-Videos werden mithilfe von Playern – einem Mediaelement – abgespielt. Mediaelemente, die möglichst barrierefrei umgesetzt werden sollen, werden über das HTML5 <video> Element eingebunden. Allerdings ist die Einbindung über natives HTML5 noch nicht browserübergreifend möglich, daher wird zurzeit auf verschiedene Erweiterungen zurückgegriffen. 

Ein Mediaelement sollte nach der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) die folgenden Anforderungen erfüllen:

  • Tastaturbedienbarkeit: Der Player muss mit der Tastatur bedienbar sein. Er muss also per Tastatur erreichbar sein, die Bedienelemente müssen nutzbar sein und er muss auch über die Tastatur wieder verlassen werden können.
  • Sichtbarer Fokus: Die Bedienelemente des Players müssen für sehbehinderte Nutzer und motorisch eingeschränkte Nutzer gut zu erkennen sein, damit sie immer wissen, wo im Webangebot oder Player sie sich gerade befinden. Der Tastaturfokus sollte daher deutlich hervorgehoben werden. 
  • Nicht-Text-Inhalte identifizierbar: Für Screenreader-Nutzer müssen Elemente, die keinen Text beinhalten, wie eben der Videoplayer, deutlich beschriftet werden. Beispielweise über eine vorangehende Überschrift oder eine Textalternative, wie durch das HTML <video> Element gegeben. Ebenso müssen die Bedienelemente beschriftet werden. Empfohlen wird dafür die Hauptsprache der Website. 
  • Kontrast: Insbesondere Schaltflächen und Bedienelemente sollten über gute Kontraste verfügen, damit Menschen mit Sehbehinderung sie wahrnehmen können.
  • Untertitelung einbindbar: Manche Videoplayer zeigen Untertitel dauerhaft an – sogenannte „open captions“. Die meisten Player aber bieten sogenannte „closed captions“ an, die über ein Bedienelement im Player ein- und ausblendbar sind. 
  • Audiodeskription einblendbar: Einige Videoplayer bieten die Möglichkeit, die Audiodeskription über ein Bedienelement zu aktivieren. Die Datei der Audiodeskription wird dann zeitgleich mit dem Video abgespielt. 

Weitere Informationen dazu, welcher Videoplayer für Sie in Frage kommt, finden Sie auf https://bik-fuer-alle.de/fuer-webentwickler-einbindung-in-die-internetseite.html. 


Untertitel

Höreingeschränkte Nutzer profitieren von Untertiteln in Ihrem Video. Aber auch für Nicht-Muttersprachler und mobile Nutzer, die ein Video ohne Ton schauen, ist die Untertitelung nützlich. Gemäß BITV sollten erweiterte Untertitel bzw. Captions nicht nur die Sprache im Video wiedergeben, sondern auch andere wichtige Audioinformationen wie Musik oder Geräusche.

Wird Ihr Video auf einem Player abgespielt, der die dynamische Untertitelung bedient, wird eine zeitgesteuerte Textdatei im CMS hinterlegt. Die Datei definiert die Textinformationen und das Zeitfenster, in denen die Einblendungen im Player gezeigt werden. WebVTT (Web Video Text Tracks) hat sich für diesen Zweck zur Standardanwendung entwickelt. 

Zeitgesteuerte Textdateien können mithilfe entsprechender Software selbst erstellt werden. Natürlich können Untertitel auch in Auftrag gegeben werden. Dafür sollten die Dienstleister ein genaues Briefing mit Untertitel-Standards erhalten, damit die Anforderungen eingehalten werden. 

Die Untertitel-Standards wurden von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Zusammenarbeit mit Hörbehindertenverbänden entwickelt und gelten für den deutschen Sprachraum. Der Standard macht Vorgaben zu Darstellung und Form der Untertitel sowie zur inhaltlichen Gestaltung. So müssen die Einblendungen zeitgleich mit dem Ton und möglichst lippensynchron erfolgen. Außerdem sollte die Schrift kontrastreich und gut lesbar auf dem Hintergrund sein und 2-zeilig gestaltet werden. Der Inhalt der Untertitel sollte nah am Original sein und sich der neuen deutschen Rechtschreibung bedienen. Zitierter Text sollte in Anführungszeichen gesetzt werden und der jeweilige Sprecher mit Namen und Doppelpunkt markiert werden.


Audiodeskription 

Audiodeskription überträgt Sichtbares in Hörbares und macht Filme so für stark seheingeschränkte und blinde Menschen verständlich. Elemente und Geschehen, die im Video zu sehen sind, werden von einem Sprecher beschrieben. Zum Beispiel wichtige Informationen zur Handlung, zu den Personen oder den Locations. Die Texteinblendungen werden ebenso vorgelesen, damit das Video durch die auditiven Informationen verständlich ist. Die Bildbeschreibungen werden in den Dialogpausen eingesprochen, damit sie sich nicht mit dem Originalton im Video überschneiden. 

Audiodeskription sollte eingesetzt werden, wenn das bildliche Geschehen maßgeblich für das Verständnis des Videos erforderlich ist. Zum Beispiel in Erklärvideos, in denen durch die Illustrationen und Animationen detaillierte Prozesse dargestellt werden. Dadurch wird an Informationen im Sprechertext gespart. Für seheingeschränkte Nutzer fehlen nun die Informationen, was genau passiert. Das muss als Audiodeskription beschrieben werden.

Wenn Sie vorhaben, eine Audiodeskription in Ihrem Video einzubinden, sollten Sie überprüfen, was Ihr Player unterstützt. Dementsprechend wird die Audiodeskription entweder als zusätzliche Videodatei oder als alternative Audiodatei benötigt. Oftmals wird in Deutschland ein zusätzliches Video mit Audiodeskription angeboten. Das An- und Abschalten von Audiodeskription in den verschiedenen Playern ist technisch noch nicht immer möglich. 

Wie auch für die Untertitelung gibt es einen Audiodeskriptionen-Standard für den deutschsprachigen Raum. In diesem werden zu beschreibende Bildelemente definiert und Vorgaben gemacht, wie Personen beschrieben werden müssen. Des Weiteren werden die Platzierung und Einbindung in die Tonspur sowie die Einbeziehung qualifizierter blinder bzw. sehbehinderter Autoren beschrieben. 


Gebärdensprache

Videos, die mit Untertitelung angezeigt werden, sind bereits ein guter Anfang, um barrierefrei zugänglich zu sein. Allerdings sollte auch der Einsatz von Gebärdensprache berücksichtigt werden. Gebärdensprache folgt einer anderen Grammatik als die schriftliche und gesprochene Sprache. Wie alle Menschen, kommunizieren auch gehörlose Personen, die Gebärdensprache nutzen, am liebsten in ihrer Muttersprache – in ihrem Fall die deutsche Gebärdensprache. Sie können Untertitel zwar lesen und verstehen, die Übersetzung durch einen Gebärdensprecher im Video verstehen sie aber am besten.

Wie in Sendungen der Tagesschau, können Gebärdensprachdolmetscher in allen anderen Videos eingesetzt werden. Der Dolmetscher wird im Video so platziert, dass er die wesentlichen visuellen Informationen und Handlungen nicht verdeckt, aber auch nicht zu klein zu sehen ist. Einige Unternehmen bieten bereits diesen Service zum Dolmetschen in Gebärdensprache für Videos an. 


Fazit

Werden Videos nicht explizit barrierefrei produziert, sind sie nicht für alle Menschen zugänglich. Probleme, mit denen Menschen mit Behinderung bei der Rezeption von Online-Videos konfrontiert werden, sind:

  • Videoplayer, die nicht oder nicht umfassend mit der Tastatur bedient werden können. Sie sind für Menschen mit motorischen Einschränkungen oder blinde und seheingeschränkte Nutzer nicht zugänglich. 
  • Videos ohne Untertitelung – Sie sind für Zuschauer mit Höreinschränkungen nicht wahrnehmbar. 
  • Videos ohne Audiodeskription – Sie enthalten Menschen mit Sehbehinderung wichtige Informationen vor und sind damit unverständlich.


So können Sie Ihre Videos barrierefrei gestalten und zur Inklusion beitragen: 

  • Konzeption und Produktion: Berücksichtigen Sie schon bei der Konzeption Ihres Videos die besonderen Anforderungen. Lassen Sie Pausen im Sprechertext, damit eine Audiodeskription eingesprochen werden kann oder bauen Sie die Beschreibung wichtiger bildlicher Elemente nativ in den Sprechertext ein.
  • Videoplayer: Stellen Sie sicher, dass Ihr Videoplayer die Anforderungen des BITV für Mediaelemente erfüllt.
  • Untertitel: Fügen Sie Untertitel ein, damit gehörlose Nutzer verstehen, was im Video gesprochen wird und welche Musik oder Geräusche im Hintergrund zu hören sind.
  • Audiodeskription: Erstellen Sie Audiodeskriptionen, damit Sehbehinderte Nutzer wichtige visuelle Elemente im Video beschrieben bekommen und das Video verstehen.
  • Gebärdensprache: Bieten Sie das Video in der Muttersprache der Gehörlosen an – in Gebärdensprache. So verstehen sie das Video gut und müssen keine Untertitel mitlesen, die einer anderen Struktur und Grammatik folgen als Gebärdensprache.

Denken Sie barrierefreie Videos mit und tragen Sie zur Inklusion von Menschen mit Behinderung im Netz bei. Informationen, Lehr- und Unterhaltungsangebote sollten für alle Menschen zugänglich sein und von allen verstanden werden können.

 

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Weiterführende Informationen:

https://bik-fuer-alle.de/leitfaden-barrierefreie-online-videos.html

https://www.aktion-mensch.de/barrierefreier-videoplayer/4-tipps-fuer-dein-barrierefreies-video.html

https://www.aktion-mensch.de/barrierefreier-videoplayer.html
 

Über den Autor

Julia Bellan

Julia Bellan studierte Medienwirtschaft und Journalismus an der Jade Hochschule Wilhelmshaven und entdeckte dort ihre Leidenschaft für das Schreiben. Als Redakteurin bei Pictima setzt sie alles daran, die Welt der Video-Branche aus allen Blickwinkeln zu betrachten und ihre Entdeckungen in unterhaltendem, aber informativem Content aufzubereiten.

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