Konzeption
Letzte Aktualisierung: 26.07.2018
Lesezeit: 13 Minuten
Warum Storytelling als Methode in Videos so erfolgreich ist
In diesem Artikel erzähle ich die Geschichte des Storytellings: Von der Bedeutung des Begriffs bis hin zur Anwendung dieser Methode. Was Storytelling kann, wie man es nutzt und wie es wirkt. Um zu verdeutlichen, wie erfolgreiches Storytelling funktioniert, werden außerdem Beispiele aus der deutschen Werbung vorgestellt. Und nicht zu vergessen: Die Moral am Ende der Geschicht’.
Storytelling bleibt im Gedächtnis
Denken Sie an einen erfolgreichen Werbespot eines Unternehmens, welcher kommt Ihnen da spontan in den Sinn? Wo wurde zu emotionalem Storytelling gegriffen, das Ihnen im Gedächtnis geblieben ist?
Vielleicht war es der Spot eines gewissen Lebensmittelgeschäfts mit einem einsamen Opi, der Ihnen Krokodilstränen über die Wangen rollen lassen hat? Der penetrante Spot eines Vergleichsportals im Sitcom-Stil? Oder doch die charmante Werbung eines schwedischen Möbelhauses?
Storytelling Definition
Storytelling lässt sich als Kommunikationsmethode definieren, die Informationen, Wissen, Werte und Meinungen vermittelt. Das Erzählen von Geschichten kann in den verschiedensten Formen angewendet werden: in Texten, Bildern oder Videos.
Um bei den Lesern, Betrachtern, Zuhörern und Zuschauern Emotionen auszulösen, werden immer öfter emotionslose Inhalte in Geschichten verpackt. Diese Art der Zielgruppenansprache wird genutzt, um Informationen so aufzubereiten, dass sie bei den Rezipienten im Gedächtnis bleiben.
Wie funktioniert Storytelling als Methode?
Die Methode des Storytellings haben sich auch werbende Unternehmen angeeignet: Mit Hilfe dramaturgischer Mittel binden sie ihre Zielgruppe an ihre Marke und wirken als Unternehmen sinnstiftend. Einfach Produkte oder Dienstleistungen in Media-Markt-Manier anpreisen, Hauptsache laut und auffällig, zieht bei den Kunden nicht mehr.
Durch die Flut an Werbung, die Konsumenten auf den verschiedensten Kanälen tagtäglich erreicht, erhöht sich die Aufmerksamkeitsschwelle. Um Menschen nachhaltig zu erreichen, müssen Emotionen ausgelöst werden. Das geht am besten mit emotionalen Geschichten, mit denen sie sich identifizieren können.
Was dabei nicht verwechselt werden darf: Nachricht und Geschichte. „Der König ist tot – das ist eine Nachricht. Am Abend vor der Schlacht ist der König von seinem Sohn getötet worden, um den Krieg zu verhindern – das ist eine Geschichte.“, so Christian Riedel, Story-Architekt für Jimdo.
Jede Geschichte folgt dem gleichen Schema: ein/e Protagonist/in hat ein Ziel, welches er oder sie verfolgt, und es gibt einen Konflikt der ihn oder sie aufhält. Der britische Journalist Christopher Booker geht so weit, zu sagen, es gäbe sieben Plots, aus denen Storys entstehen:
- Das Monster überwinden
- Vom Tellerwäscher zum Millionär
- Die Suche
- Reise und Rückkehr
- Komödie
- Tragödie
- Wiedergeburt
Booker geht davon aus, dass alle Erzählungen, die es gibt oder geben wird, auf diesen Schemata basieren. Alle Stories, die erzählt werden, sind Variationen dieser sieben Plots. Aus diesem Grund mögen wir Menschen Geschichten auch so sehr: Wir sind mit den Schemata vertraut, können Handlungen und Emotionen der Protogonisten nachvollziehen und nachfühlen.
Was Unternehmen beachten müssen: Sie sollten sich selbst oder ihre Marke nicht als Helden etablieren. Solche Geschichten wirken gezwungen und unglaubwürdig. Ein einfaches Branding kann vollkommen ausreichend sein, um Emotionen mit der eigenen Marke zu verknüpfen.
Die Bedeutung der Storytelling-Methode im Neuromarketing
Das Neuromarketing beschäftigt sich mit Erkenntnissen der Hirnforschung und Psychologie, um es für die Optimierung der Werbung einzusetzen. So wurde herausgefunden, dass Geschichten Teil unserer neurologischen Architektur sind: Sie ermöglichen, dass wir uns Gelerntes besser merken und sprechen Emotionen beim Rezipienten an bzw. lösen sie aus.
Bei der Storytelling-Methode werden die Sachebende und die emotionale Informationsebene ausgetauscht. Es bietet die Möglichkeit die eigenen Gedanken zu sortieren und eine Richtung zu geben.
Während wir eine Geschichte hören, nehmen wir nicht nur die sachlichen Informationen auf, sondern fühlen mit dem Protagonisten mit, entwickeln Empathie und werden emotional. Dafür sorgen die Spiegelneuronen in unserem Gehirn: die Emotionen von Erzähler und Empfänger synchronisieren sich. Ob wir eine Geschichte hören oder etwas selbst erleben, macht keinen Unterschied: Wir empfinden das Gleiche.
In der zwischenmenschlichen Kommunikation versucht sich das Gehirn mit den Gedankengängen des Gegenübers zu synchronisieren, um die unmittelbare Zukunft anhand wiederkehrender Muster vorauszusagen. Funktioniert dies, prägen sich die Informationen besonders gut ein. Aus diesem Grund ist Storytelling so erfolgreich. Denn Geschichten bestehen aus festen, sich wiederholenden Mustern.
Das Geschichtenerzählen gehört zur Evolution
Dan McAdams, US-amerikanischer Professor aus dem Feld der narrativen Psychologie, beschreibt Geschichten als identitätsstiftendes Hilfsmittel. Menschen lernen durch Geschichten, mit ihren Wünschen, Überzeugungen und Ängsten umzugehen.
Storytelling ist damit nicht nur eine Kommunikationsmethode im Content Marketing, sondern ein grundlegendes Muster des menschlichen Denkens. Die Ursprünge des Storytellings liegen laut Ethnologen 200.000 Jahre zurück. Schon unsere Vorfahren haben Geschichten erzählt, um Informationen auszutauschen und Erfahrungen weiterzugeben.
Aus dem gleichen Grund lesen wir Kindern Geschichten vor: Storys in Märchen haben immer eine Moral. Das Märchen des tapferen Schneiderleins hat uns gelehrt, dass auch der Schwache, wenn er einfallsreich und selbstbewusst ist, Großes erreichen kann. Dass man Teilen sollte, um Freunde und damit Freude zu gewinnen, haben wir durch die Geschichte des Regenbogenfischs gelernt.
Man könnte diese Informationen den Kindern auch in einem Sachbuch vermitteln. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese dann hängen bleiben, ist allerdings gering.
Der Einsatz von Storytelling im Marketing
Unternehmen und Marken haben das Potential der Storytelling Methode längst erkannt: Sie ermöglicht eine kognitive Bindung des Rezipienten zur Marke. Bei der Interaktion mit starken Marken wird beim Konsumenten die Gehirnregion angesprochen, die für die Verarbeitung positiver Emotionen verantwortlich ist. Unbekannte Marken aktivieren die Gehirnregion, die für das Verarbeiten negativer Gefühle zuständig ist. Erfolgreiche Marken heben sich deswegen vor allem aufgrund ihrer emotionalen Bedeutung für die Zielgruppe von Wettbewerbern ab.
Zudem spielt Storytelling Marketing mit den natürlichen Bedürfnissen des Menschen. Es werden Erwartungen aufgebaut, Überraschungsmomente kreiert und Sehnsüchte erfüllt. Durch die Platzierung einer Marke im Zusammenhang mit einer Story, in der ein Protagonist Erwartungen hat, Herausforderungen gegenübersteht und am Ende einen Triumph feiern kann, wird dieser Marke ein identitätsstiftendes Image für seine Zielgruppe verliehen.
Die Marke bekommt durch die Storytelling Methode ein Gesicht, Konsumenten verbinden mit ihr ein bestimmtes Gefühl. Das Unternehmen kann zudem seine Werte verständlich kommunizieren und eine bedeutungsvolle Strahlkraft aufbauen.
Die Wirkung der Storytelling-Methode
In Experimenten an der Stanford-Universität hatten Studenten jeweils eine Minute Zeit, um eine Idee zu pitchen. Der überwiegende Teil nutze Fakten, nur wenige Storys. Es stellte sich heraus, dass Storys 22x besser in Erinnerung bleiben als reine Fakten. Zudem wurde herausgefunden, dass Geschichten sich zwei bis fünf Mal besser verkaufen als pure Fakten. Getestet wurde dies mit Spendenaufrufen.
Auch der Neuroökonome Paul Zak stellte ähnliches fest: Wenn wir Geschichten hören oder sehen, schütten wir das Hormon Oxytocin aus, welches uns empathisch macht. Je höher der Oxytocinspiegel, desto mehr sind wir bereit zu spenden. Genauso wird sich Storytelling auch auf die Kaufabsichten von Konsumenten auswirken. Je vertrauter und positiver eine Marke auf uns wirkt, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir zum Kauf der Produkte oder der Inanspruchnahme der Dienstleistungen verleitet werden.
Erfolgreiche Werbevideos mit der Storytelling-Methode
Die Wirksamkeit der Storytelling Methode ist nicht zu verleugnen. Aus diesem Grund auch meine Einstiegsfrage: Ich hoffe ich lag mit meiner Vermutung, dass viele von Ihnen den #heimkommen TV-Spot von EDEKA, die Sitcom-Werbung von Check24 oder die Hochzeitswerbung von IKEA im Kopf hatten, nicht ganz daneben. Denn diese Spots machen alles richtig. Sie sorgen für Aufmerksamkeit, wenn auch nicht für ausschließlich positive. Und dennoch: Jeder kennt die Spots, jeder kennt die Marke.
So umstritten der EDEKA Spot auch ist: Die Geschichte trifft einen mitten ins Herz und löst Emotionen aus. Knapp 56 Millionen Aufrufe auf YouTube sprechen für sich.
Auch die Check24 Werbung zieht das Konzept Storytelling stringent durch: Auf YouTube finden sich inzwischen 32 Videos über den Alltag der „2 unvergleichlichen Familien“. Von den einen geliebt, von den anderen abgrundtief gehasst – dennoch erfolgreich, mit teilweise über sieben Millionen Klicks auf einem Video.
Ikea setzt auf bleibende Protagonisten, deren Geschichte durch verschiedene Werbespots erweitert wird. So kennt inzwischen wohl jeder die sympathische, manchmal tollpatschige und der deutschen Sprache noch nicht ganz mächtige Smilla. Mal regt sie den Kindern einen Schrecken ein, weil Opa „an einem besseren Ort“ ist, mal muss sie spontan eine Rede auf einer Hochzeit halten.
Lidl ließ den Erfolg von Edeka’s #heimkommen Werbespot nicht auf sich sitzen und produzierte eine herrlich lustige Parodie des Spots und des Kino-Hits La La Land:
Ein weiterer Spot, der mit geschickten Storytelling zu Tränen rührt, stammt aus der „Du kannst mehr“-Kampagne von Saturn. Die Werbung thematisiert Demenz, ein hochemotionales Thema. Im Spot gibt es ein Happy End, das einen zum Taschentuch greifen lässt.
Fazit
- Durch gutes Storytelling binden Sie die Rezipienten Ihrer Zielgruppe an Ihre Marke und wirken als Unternehmen sinnstiftend.
- Dabei sollte bedacht werden, dass eine Nachricht längst noch keine Geschichte ist. Denn die funktionieren immer nach einem gleichbleibenden Muster, mit einem Protagonisten, einem Problem und einer erfolgreichen Problemlösung.
- Das Neuromarketing hat herausgefunden: Durch die wiederkehrenden Muster fällt es Rezipienten leicht, sich mit den Protagonisten und deren Gefühlen zu identifizieren. Dadurch lösen Geschichten Emotionen aus und Informationen werden nachhaltiger abgespeichert.
- Storytelling wurde nicht von einem besonders pfiffigen Marketer erfunden: Es ist ein grundlegendes Muster menschlichen Denkens. Durch das Erzählen von Geschichten geben Menschen seit jeher wichtige Informationen weiter.
- Storytelling und die dadurch ausgelösten Emotionen begünstigen eine kognitive Bindung der Rezipienten zu einer Marke, wodurch die Kaufabsicht erhöht wird.
- Storys werden besser erinnert als reine Fakten.
Die Moral von der Geschicht’: Unterschätzen Sie gutes Storytelling nicht!
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Julia Bellan
Julia Bellan studierte Medienwirtschaft und Journalismus an der Jade Hochschule Wilhelmshaven und entdeckte dort ihre Leidenschaft für das Schreiben. Als Redakteurin bei Pictima setzt sie alles daran, die Welt der Video-Branche aus allen Blickwinkeln zu betrachten und ihre Entdeckungen in unterhaltendem, aber informativem Content aufzubereiten.